Freitag, 22. November 2019

Zwischen wissenschaftlicher Elite und Hundefutter



Die Luft der Freiheit weht– so lautet das offizielle und in deutscher Sprache verfaßte Motto der Stanford University (vollständiger Name: Leland Stanford Junior University), die wir heute Vormittag besucht haben. Es war ein kurzfristiger Programmwechsel, weil die eigentlich eingeplante Firma Azumio unseren Besuch absagen mußte. Tim-Ole konnte dank seiner Kontakte zu Stanford Antonia Fore gewinnen, die das Graduate Research and Internship Program Germany der Stanford University koordiniert. Ziel des Programms ist es, den akademischen Austausch zwischen Deutschland und den USA zu unterstützen. Studenten der Stanford University können sich für ein acht- bis zwölfwöchiges Praktikum bei einem deutschen Unternehmen oder einer deutschen Hochschule bewerben.

Aus unserem Gespräch mit Antonia erwuchsen sofort Überlegungen, welche Delegationsteilnehmer entsprechende Praktikumsangebote unterbreiten können. Uns allen war klar, welche Chancen sich aus einem solchen Austausch für schleswig-holsteinische Unternehmen und Hochschulen ergeben können. Denn Stanford ist eine der renommiertesten Hochschulen weltweit. Die Universität hat einen Schwerpunkt im Bereich der Computer Sciences, sie hat Gründer von IT-Unternehmen wie Google, Yahoo, Hewlett-Packard hervorgebracht. Der Jahresetat beträgt bei ca. 16.500 Studenten über sechs Milliarden (!!) US-Dollar – das ist mehr als die Hälfte des Jahresetats des Landes Schleswig-Holstein! Das Stiftungsvermögen von Stanford beläuft sich auf rund 25 Milliarden Euro.

Universität mit Weltruf - und Heimat von 30 Nobelpreisträgern: Stanford
Genau 30 Dozenten aus Stanford sind mit dem Nobelpeis ausgezeichnet worden. Stanford ist also in jeder Hinsicht eine Universität von Weltklasse, und das merken wir auch, als wir über den Campus laufen. Gepflegte Rasenanlagen, beeindruckende Gebäudekomplexe, die an mediterrane Architektur und Farbgebung erinnern, großzügig gestaltet und das Gefühl vermittelnd, das hier die Musen zuhause sind. Der Besuch hat uns alle beeindruckt: Stanford als akademischer Gegenpol zu der Schnelllebigkeit des Geschäftslebens im Silicon Valley, dabei nicht minder „powerful“ als wissenschaftlicher Wurzel der so erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung des Silicon Valley.

Tim-Ole und Kristin Asmussen, die bei der WTSH für die Betreuung des Auslandsgeschäft mit den USA zuständig ist und gemeinsam mit Tim-Ole und dem Wirtschaftsministerium die Reise vorbereitet hat, versorgen uns mit einem leckeren Mittagsimbiß im Bus, der uns zu unserem nächsten Termin nach Berkeley fährt. Auch für diese Fahrt brauchen wir über eine Stunde. Das Silicon Valley lernen wir als eine Region kennen, bei der nicht nur die geographischen Distanzen, sondern vor allem die verkehrliche Situation als Maßstab für Vergleiche herhalten müssen. Die Entfernung von z.B. Flensburg, Kiel oder Lübeck nach Hamburg ist mit den Meilen und Zeiten, die wir hier zurücklegen, ohne weiteres vergleichbar.

In Berkeley führt uns der CEO Wild Earth, Ryan Bethencourt (Foto), in die Geschäftsidee seines Unternehmens ein. Die zentrale Frage lautet: „Can we create food solutions that do not rely on farmed animals?“ Wild Earth möchte Nahrungsproduktion nachhaltig gestalten.

 Das Unternehmen fokussiert nicht auf die Ernährung von Menschen, sondern auf die von Haustieren, inbesondere auf Hunde und Katzen. Dafür gewinnt das Unternehmen kultivierte Proteine aus Koji, einer Pilzkultur aus Japan. Die Proteine gelten als ernährungsphysiolgisch ausgewogen und eiweißreich und lassen sich in Hefefermentern vermehren. Wild Earth stellt Hundefutter mit verschiedenen Geschmacksrichtungen wie etwa Erdnußbutter her (und mich erinnert das ein wenig an die verschiedenen Geschmacksrichtungen von M&M's). Rund 525 Millionen Hunde sollen wir Menschen derzeit weltweit halten, und die wollen ernährt werden. Nicht selten bekommen Hunde besseres Fleisch zu fressen als wir uns gönnen.

Hier sieht Wild Earth einen immer weiter wachsenden Markt, den das Unternehmen mit dem Ersatz von Fleisch durch pflanzliche Nahrung für Haustiere besetzen will. Ryan Bethencourt, gebürtiger Schotte und ein Mann mit echten Entertainerqualitäten, prognostiziert, dass sich die Ernährungsindustrie in den nächsten 30 Jahren mehr verändern wird als in den letzten 10.000 Jahren – und zwar im Sinne der Nachhaltigkeit und zum Erhalt der immer noch wachsenden Menschheit.

Firmengründungen wie Wild Earth seien nur im Silicon Valley möglich, weder Europa noch der Osten der USA verfügen seiner Meinung nach über eine vergleichbare Dynamik, das „Mindset“, die Risikobereitschaft und die Finanzierungsmöglichkeiten.

Unsere letzte Station am heutigen Tage ist ein weiteres Unternehmen der Ernährungswirtschaft: die im Jahr 2011 von dem Patrick O. Brian, Professor für Biochemie in Stanford, gegründete Impossible Foods Inc. in Redwood City. Dana Wagner und Tyler Jameson erläutern uns die Ausrichtung von Impossible Foods. Auch Impossible Foods stellt Fleischprodukte aus pflanzlichen Eiweißen her. Grundlage für den Impossible Burger sind Sojaproteine, Kokos- und Sonnenblumöl. Der Burger soll aussehen, kochen, riechen, zischen und schmecken wir konventionelles Hackfleisch, wird aber vollständig aus Pflanzen hergestellt. Impossible Foods hat mit Burger King einen Großkunden gewonnen, der die Burger bereits vertreibt, bisher allerdings nur auf dem amerikanischen Markt. Der Impossible Burger soll sehr gut schmecken, wovon wir uns heute leider nicht überzeugen konnten, da Impossible Foods uns leider keinen Testburger probieren lassen konnte und wir auch nicht bei Burger King einkehren konnten. Neben Google Ventures haben Bill Gates und Open Philanthropy Project in Impossible Foods investiert. Wie immer in unserer Delegation entspann sich eine muntere Diskussions- und Fragerunde über die Preisgestaltung, den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen, die alternative Produktion von Fleisch durch die Vermehrung von Stammzellen und die Kennzeichnung der Burger als Fleisch. Der europäische Markt bietet auch für Impossible Foods eine interessante Perspektive, und wir warben für Schleswig-Holstein als Standort mit Verbindungslinien nach Skandinavien. Nicht zuletzt nahmen wir auch von Impossible Foods mit, dass das treibende Element für all die Innovationen gilt: „it‘ the spirit of Silicon Valley that motivates“.

Die Stationen des heutigen Tages kommentiert Wirtschaftsminister Buchholz so:


Den letzten Tag unserer Reise mit allen Delegationsteilnehmern ließen wir abends in San José ausklingen. Je besser wir uns im Laufe der Tage kennengelernt haben, desto intensiver sind die Gespräche und der Austausch geworden. Die Luft der Freiheit, die wir uns im Silicon Valley um die Nase haben wehen lassen, hat uns nicht nur sehr viele neue Eindrücke und Erkenntnisse gebracht, sondern auch neue Verbindungen geschaffen, die wir bei einem Nachtreffen in Schleswig-Holstein weiter vertiefen wollen. Minister Buchholz und alle Teilnehmer danken Tim-Ole und Kristin für die hervorragende Vorbereitung der Reise, die die beiden in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium bewerkstelligt haben.

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